Warum wir uns für WordCamps engagieren, erzählt dieser Beitrag am Beispiel des WordCamp Paris 2015.
Menschen wie du und ich
Januar ist nicht gerade die glücklichste Jahreszeit für die Stadt der Liebe. In Paris ist es kalt, aber immerhin scheint die Sonne auf Bercy Village.
Das kleine gallische Dorf vor der Kulisse unseres Hotel-Turms bietet überwiegend Gastronomisches. Die Optik erinnert entfernt an Weihnachtsmarkt, aber es riecht sehr viel besser, und – naja – die Franzosen haben halt einfach Stil.
Später treffe ich Jenny, um mit ihr die Vorbereitungen für unseren Multilingual Dialogue abzuschließen. Jenny, in der Normandie ansässige, selbständige Webentwicklerin mit amerikanischen Wurzeln, hat sich bereit erklärt, einen gemeinsamen Workshop für mehrsprachiges WordPress auf die Beine zu stellen. Zusätzlich zu ihren Aufgaben als WordCamp-Organisatorin.
Mit der französisch-muttersprachlichen Unterstützung ihres Ehemanns Olivier, finalisieren wir schließlich unsere Demo-Sites für MultilingualPress PRO und WPML – und dann ist es auch schon Zeit, zum Speaker’s Dinner aufzubrechen.
Mit ihren günstigen Eintrittspreisen richten sich WordCamps grundsätzlich und ganz bewusst nicht in erster Linie an ein Business-Publikum. Kreative und PHP-Priester/innen begegnen auf einem WordCamp „ganz normalen“ Leuten, mit Berufen aus völlig anderen Branchen als der digitalen.
Agenturen und größere Unternehmen sind natürlich ebenfalls willkommene Gäste; besonders gern sieht man sie in der Rolle der Sponsoren, die mit ihren Marketing-Budgets die Kosten für Veranstaltungsort, Catering, T-Shirts, technisches Equipment und Speaker’s Dinner auffangen und dadurch die niedrigen Ticketpreise sichern.
Kurze Leine für Kommerz
Am Freitagmorgen fahren Robert und ich mit der Metro zum WordCamp. Ohne Kaffee im Bauch, mon dieu! Den gibt’s dann reichlich zu den leckeren Croissants im MAS, dem wohl weltweit einzigen Veranstaltungsort mit einer Giraffe im Foyer.
WordCamp-Frühstück, und alles schnattert durcheinander:
–„Bonjour!“
–„Hi there!“
–„Ça va trés bien, merci!“
–„How are you?“
–„Good to see you again!“
–„Robertichholmirnochnkaffeebisgleich.“
Französisch ist Camp-Sprache, aber – Gott sei’s getrommelt – niemand zeigt Berührungsängste mit Englisch als lingua fracta. Man versteht sich bestens, weil man sich verstehen will. Die Stimmung erinnert eher an ein gigantisches WG-Frühstück als an eine Software-Konferenz.
Anders als bei vergleichbaren Veranstaltungen, sind die Möglichkeiten der Geschäftsanbahnung für Sponsoren im Rahmen eines WordCamps strikt reglementiert und limitiert. Das hat einen guten Grund:
Die WordPress Foundation (WPF), Wächterin über die Marken WordPress und WordCamp, schlüpft für viele WordCamps in die Rolle der Veranstalterin, stellt den notwendigen rechtlichen und administrativen Rahmen zur Verfügung und steuert, sollten die Sponsorengelder nicht ausreichen, aus den Überschüssen anderer WordCamps einen Teil des Budgets bei.
Gleichzeitig hat die WordPress Foundation in den USA den Status der Gemeinnützigkeit. Dadurch unterliegt sie der Aufsicht der US-Steuerbehörden. Und die sehen es gar nicht gerne, wenn auf einer Veranstaltung einer gemeinnützigen Stiftung Geschäfte angebahnt, Rabatt-Aktionen durchgeführt, oder Kunden mit vergleichenden Produktdarstellungen geworben werden.
Daraus folgt für WordCamp-Sponsoren die obligatorische Selbstverpflichtung, auf vergleichende Werbung im Rahmen des Events zu verzichten, sowie weder Gutschein-Aktionen, noch Verlosungen durchzuführen – anderenfalls liefe die WordPress Foundation mittelfristig Gefahr, ihren Status der Gemeinnützigkeit zu verlieren.
Dialog direkt
Wir unterhalten uns viel. Direkte Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen, mit Anwenderinnen und Anwendern unserer Produkte (MultilingualPress PRO allen voran) sind der Hauptgrund für unsere Anwesenheit.
Augenkontakt, Gesten, Lachen – non-verbale Kommunikationsmerkmale, auf die wir im digitalen Dialog der sozialen Netzwerke und Foren verzichten müssen – transformieren Konversationen in konkrete Kontakte.
Wenn man hinter einer so gnadenlos virtuellen Entität wie einer Software, einem WordPress-Plugin, plötzlich Menschen entdeckt, die genauso viele Hände und Füße haben wie man selbst, kann das Manches gerade rücken; umgekehrt sperren wir die Ohren auf, um das direkte Feedback, wegen dessen wir hier sind, auch ja mit nach Hause zu nehmen.
WordCamp-Sponsoring bietet für Unternehmen, die mit der Freien Software WordPress gutes Geld verdienen, eine Möglichkeit, der Gemeinschaft aus Freiwilligen, die jene Freie Software erst ermöglicht, einen Dienst zu erweisen – ohne moralischen Zwang, und eben auch ohne den Anspruch eines direkten Return On Investment.
Neben „gutem Karma“ gibt es aber noch einen weiteren Anreiz für Sponsoren, sich in ein WordCamp zu investieren: die seltene Chance, in direkten Kontakt mit den Anwenderinnen und Anwendern der eigenen Produkte oder Services zu treten.
Angesichts eines ansonsten überwiegend digitalen Marktumfeldes, dessen Kommunikationsströme in rasantem Tempo Heutiges nach Gestern befördern, sind Eins-zu-Eins-Gespräche, bei denen Botschaften mit Augenkontakt ausgetauscht werden können, in konventioneller Währung kaum aufzuwiegen – und ebenso wenig messbar.
Beignets und Beta-Testing
Am zweiten Tag muss die Sponsorenkasse spontan für eine Runde beignets (Krapfen) zum allgemeinen Camp-Kaffee herhalten. Mit Zuckerschock und neuer Energie stürzen wir uns in eine letzte Runde von Gesprächen und Live-Demos unseres in der Entwicklung befindlichen Multisite-WooCommerce-Plugins. Für letzteres sammeln wir die E-Mail-Adressen interessierter Beta-Tester/innen ein, um unsere Tests für das demnächst erscheinende freie Tool mit realen use cases zu füttern.
Der Abend findet uns müde, aber glücklich. WordCamp Paris hat’s uns gezeigt, wir tippen uns, dankbar grüßend, an die Mütze. Ein entspanntes Abendessen mit unseren Freunden, dann heisst es in die Klappe gehen, um am nächsten Morgen den Bus zum Flughafen zu kriegen.
Auf dem Flug ziehen wir Resümee, schreiben Gedanken, Feedback und Ideen auf, solange sie noch frisch sind. Die vielen persönlichen Kontakte – viel zu wertvoll, als das man einfach abschalten und zur Reiseroutine übergehen könnte!
Das ist es also gewesen, unser erstes WordCamp in diesem Jahr. Paris im Winter, mit Cupcakes, Croissants und Krapfen, alten und neuen Freunden und einer fulminanten Ladung direkten Anwenderfeedbacks für ein hoffnungsvolles WordPress-Plugin.
Inpsyde sponserte in den vergangenen drei Jahren vier WordCamps in London, Leiden/NL, Hamburg und Sofia/BG, sowie die beiden Berliner WP Camps (zu finden auf den jeweiligen Sites mit den Marken Inpsyde, MarketPress oder MultilingualPress PRO). In 2015 engagiert Inpsyde sich wiederum bei einigen WordCamps als Sponsor; Paris ist gerade gewesen; Prag, London, wahrscheinlich Wien und ganz sicher Köln stehen noch aus.
Als WordPress-Agentur mit zahlreichen Kunden aus dem Enterprise-Sektor und einer E-Commerce-Plattform im Portfolio, läge es für Inpsyde nahe, Kontakte im Business-Umfeld auf Messen und Kongressen zu suchen. Das tun wir auch manchmal.
Mindestens genauso wichtig ist für uns jedoch der regelmäßige Kontakt zu den Menschen, die zusammen die globale Gemeinschaft bilden, aus der heraus sich unser Unternehmen vor neun Jahren gegründet hat: die WordPress-Community in Deutschland, in Europa und überall, wo WordPress Menschen miteinander verbindet.
Wie siehst du das mit dem Sponsoring?
Vorausgesetzt, du hast schon einmal an einem WordCamp teilgenommen: wie hast du die Sponsoren des Camps wahrgenommen? Ist dir irgendetwas Spezielles aufgefallen, positiv oder negativ?
Was würdest du dir für ein WordCamp in deiner Gegend wünschen, und wie könnte ein Sponsor dazu beitragen?
Beitragsbild: Thierry Pigot (Alle Rechte vorbehalten.)
4 Kommentare
Ich war (tatsächlich) erst bei zwei WordCamps und habe in beiden Fällen die Sponsoren eher als unaufdringlich empfunden. Man kommt nun mal nicht ohne Sponsoren aus und es ist nur gerechtferigt, dass die auch irgendein Payback dafür wollen. Und wenn es “nur” Aufmerksamkeit ist.
Und da ich dieses Jahr schon wieder mal nicht selbst erscheien kann, bin ich halt Sponsor des WordCamps in Köln geworden 😉
@Michael Danke für dein Feedback! Das mit der Sichtbarkeit als „Gegenleistung“ kommt einem tatsächlich erstmal völlig unspektakulär und normal vor. Im Artikel ist dann von der Sichtweise die Rede, dass die „Gegenleistung“ für einen Sponsoring-Beitrag (oder jedweden freiwilligen Beitrag zum Open-Source-Projekt) ja bereits in Form der Freien Software selbst geflossen sei – also quasi „vorab“. Kannst du dem zustimmen, siehst du’s anders, wie?
Wir grüßen dann Köln von dir. 😉
Sicher kann man das so sehen. Und es wird vielleicht sogar Sponsoren geben, die gar nicht öffentlich auftreten wollen. Das ist legitim und sehr selbstlos.
Aber wenn man das zur Bedingungen machen würde, wäre es vermutlich noch schwerer, Sponsoren zu finden. Die meisten werden eben die genannte Gegenleistung wollen und das ist auch zu akzeptieren.
Ich als “Neusponsor” gehöre übrigens zu den letzteren. Soweit geht meine Selbstlosigkeit noch nicht 😉
[…] Paris im Winter, oder warum wir WordCamps sponsern […]
Das Sponsoring von WordCamps ist für mich einer der vielen Möglichkeiten monetär etwas an ein Produkt, eine Community etc. zurückzugeben. Ob wir als Inpsyde einen MA im Core von WordPress entlohnen oder der Community helfen, das Camp auf die Beine zu stellen, ist nach Außen wenig darstellbar und interessiert unsere Kunden kaum. Aber es ist ein Teil der Philosophie Open Source, die wir bewusst gewählt haben und leben wollen. Wenn dabei ein Benefit für uns als Unternehmen zurückkommt, dann ist dies extra und in unserem Sinne. Aber wenn dies der Fokus allein ist, dann sind andere Veranstaltungen mit unseren Kunden in großer Zahl wichtiger.
Insofern schätze ich diese Art des Feedback aus der Sicht als Unternehmer und als Teil der Community.
Danke, Frank! Mit der Einschätzung, dass WordCamps für die Community wichtig sind, für größere Kunden jedoch wenig bis keine Bedeutung haben, liegst du übrigens auf einer Linie mit Kollegen wie zum Beispiel Chris Lema, der jüngst erklärte, warum sich heuer weniger WordCamps zugunsten von mehr „kommerziellen“ Events in seinem Terminkalender finden.
Sehe ich so, ja. WordCamps oder “Business-Event” ist klar abhängig vom Ziel. Wenn ich Kunden akquirieren will, dann ist ein WC eher zweitrangig geeignet, da unsere Ziel-Kunden dort nur wenig vertreten sind. Das ist auch immer wieder das Feedback unserer Kunden, die für sich im WC keinen Benefit sehen und uns so als Besucher, Sponsor immer wieder vertrösten bzw. absagen.
In erster Linie ist ein WC eine wunderbare Plattform zum Austausch, zur Darstellung der eigenen Person (Session etc.), für die Akquise von Mitarbeitern, für die Unternehmes-Darstellung, um Sichtbarkeit des Produktes & von WordPress zu erhöhen… Was am Ende auch ein Plus für uns ist, da es damit wieder mehr in den Fokus Kunde rückt. Insofern ist der Benefit auf vielen Seiten zu sehen. Als Person, Unternehmen muss man aber seine Zeit vs. Ziel stecken und so kann ich die Argumente von Cris Lema verstehen.
[…] ich so konsistent besucht. Nachdem ich 2014 und 2015 mit Inpsyde dabei sein durfte (die Firma als Sponsor, meine Wenigkeit als Sprecher), komme ich in diesem Jahr auf Einladung meines französischen […]
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